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Mieterportrait: Schindelhauer Bikes

Im GSG-Hof in der Schlesischen Straße werden Fahrräder in Manufakturqualität entwickelt. Citybikes und Pedelecs haben das Potenzial zum Kultobjekt. Außerdem: Schindelhauer Bikes kommen mit Zahnriemenantrieb auf Touren.

Bild: Schindelhauer Bikes

Ganz eindeutig: Viktor und Siegfried sind Siegertypen. Wie soll sich ein Unternehmen bitte schön entwickeln, das seinen Modellen solche Namen gibt? Siegfried, gestatten, das ist der erste Fahrrad-Prototyp, den vier Absolventen der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg und der Hochschule Magdeburg-Stendal für sich selbst aufgebaut haben. Sehr leicht, keine Gangschaltung, kein Schutzblech, keine Lichter. Und eine Weltneuheit: Vom ersten Tag an entwickeln sie Räder mit dem damals im Fahrradbereich noch weitestgehend unbekannten Zahnriemenantrieb.

Im Klartext: Zahnriemen statt Kette. „Wir waren einer der ersten, die die Rahmen von Beginn an ausschließlich um diese besondere Art von Antrieb und dessen Anforderungen herum konstruiert haben“, sagt Stephan Zehren. Zusammen mit den beiden Maschinenbauern Jörg Schindelhauer und Manuel Holstein sowie dem Betriebswirt Martin Schellhase gründete der Industriedesigner 2009 die Firma Schindelhauer Bikes.

Ihre Cityräder sind minimalistisch aufgebaut, alle Komponenten zielen auf Langlebigkeit: vom wartungsarmen Zahnriemenantrieb aus carbonfaserverstärktem Kunststoff über den Rahmen aus hochwertigem Aluminium bis hin zu den Komponenten aus Edelstahl.

Bild: Schindelhauer Bikes
Komponenten – Bild: Schindelhauer Bikes

Dabei sind die Räder von solch‘ einer puristischen Schönheit, dass man sie am liebsten streicheln möchten. Da geraten selbst nicht gerade technikversierte Zeitgenossen ins Schwärmen: der sahneweiße oder mitternachtsblau Alu-Rahmen, das Schutzblech, das sich wie maßgeschneidert um die Reifen schmiegt, die ledernen Sattel und Griffe – welch‘ Eleganz.

Das Herzstück ist und bleibt jedoch der Zahnriemen. „Der hält bis zu fünfmal länger als eine Kette, er ist leichter, geräuschlos, fettet nicht und schmoddert nicht alles zu“, fasst Stephan Zehren die Vorteile zusammen. Lästiges Hosenbein-Hochkrempeln entfällt also. Der geniale Antrieb hatte jedoch einen Haken: „Wir brauchten dafür einen speziellen Rahmen. Wir haben einen Sommer lang getüftelt und dabei ein Patent entwickelt.“

Der hält bis zu fünfmal länger als eine Kette.
Stephan Zehren, Schindelhauer Bikes

2010 kommt die erste Serie auf den Markt. Ein Jahr später wird Schindelhauer Bikes als Sachsen-Anhalts „Unternehmen des Monats“ ausgezeichnet. Eine junge innovative Truppe, die eine hochwertige Marke entwickle, um den Weltmarkt zu erstürmen, heißt es in der Laudatio.

Wie wahr.

Seitdem gewinnen sie einen Designerpreis nach dem anderen. Das Erfolgsrad dreht sich.
2012 kommen die Vier nach Berlin. „Als ich mir die Räumlichkeiten in der Schlesischen Straße angeschaut habe, wusste ich sofort: Das ist es.“ Im EG ist die Werkstatt, dazu kommen die Geschäfts- und Lagerräume. Im Mai haben sie die 3. Etage komplett renoviert: „Wegen eines Wasserschadens mussten wir das komplette Stirnholzparkett rausreißen.“

Büroarbeitsplatz – Bild: Schindelhauer Bikes
Gemeinschaftsfläche – Bild: Schindelhauer Bikes

Ansonsten radeln die vier aber auf der Glückseite des Lebens. Schindelhauer Bikes gibt es mittlerweile weltweit in über 30 Ländern. 24 Mitarbeiter gehören zum Team. „2020 haben wir unseren Absatz verdoppelt. In der Pandemiezeit war die Nachfrage nach Bikes einfach unglaublich“, sagt der Co-Gründer. Berlin hatte als einziges Bundesland die Fahrradgeschäfte vom Lockdown ausgenommen. „Wir hatten die Umsatzsteigerung aber auch gezielt geplant.“ 2019, im zehnten Jahr des Firmenbestehens, rollen endlich Schindelhauer E-Bikes über den Asphalt. „Darauf haben unsere Kunden lange gewartet. Wir hatten zwar bereits Jahre davor erste Entwürfe gemacht, wollten aber unbedingt erst unsere Ansprüche erfüllen – ganz besonders auf der technischen Seite.“

In der Pandemiezeit war die Nachfrage nach Bikes einfach unglaublich.
Stephan Zehren, Schindelhauer Bikes

Und die sind bekanntlich hoch. Die Erwartungshaltung der Kunden übrigens auch. Arthur, der Avantgardist, Oskar, der Freidenker sowie Heinrich und Hannah, die Multitalente mit leistungsstarkem Bosch E-Antrieb, erfüllen selbstverständlich alle Pedelec-Träume. Designobjekte mit State of the Art-Technik.

Die Teile für ihre Haute-Couture-Räder bezieht Schindelhauer Bikes aus aller Welt. Die Zahnriemen kommen aus den USA, von Gates, einem Zulieferer für Harley Davidson. Für die Fahrräder wurde der Antrieb mit einem deutschen Partner weiterentwickelt. Die hochwertigen kupfergenieteten Ledersättel sowie die speziellen Ledergriffe produziert Brooks in England.

Bild: Schindelhauer Bikes
Bild: Schindelhauer Bikes

„Die Räder haben das Potenzial, Klassiker zu werden“, heißt es nicht selten in den Schlagzeilen der Wirtschafts- und Hochglanzmedien. Im Avantgarde-Automagazin ramp wird Siegfried bereits als Design-Ikone gefeiert. „Das wohl komplexeste Designobjekt ohne Innenleben.“ Reduzierter kann ein Maximum kaum sein. „Uns ist dabei wichtig zu betonen, dass es nie unser Ziel war, ein Retro-Rad zu bauen. Die Räder sind durch einen klassischen, zeitlosen Look geprägt aber mit der allerneusten Technik ausgestattet.“

Um zu zeigen, welche Kraft in dem sauberen Zahnriemen steckt, haben die Berliner ihr eigenes Rennteam aufgebaut. „Schindelhauer Gates“ geht mit Hektor erfolgreich bei internationalen Fixed-Gear-Rennen an den Start. Auf Weltklasse-Niveau, versteht sich.

Eigentlich wollten die Gründer einen ganz anderen Asphaltflitzer bauen. Sie träumten von einem innovativen kleinen Sportwagen mit alternativem Antrieb. Damals. „Für die Weiterentwicklung des Autos brauchten wir eine Anschlussfinanzierung. Dann kam die Finanzkrise“, fasst es Stephan Zehren zusammen. Manchmal gibt das Leben eben einen anderen Weg vor.

Das Modell hängt jetzt in der Schindelhauer-Werkstatt im GSG-Hof Schlesischen Straße in Kreuzberg an der Decke.

Schindelhauer Bikes
c2g-engineering GmbH
Schlesische Str. 27
10997 Berlin

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