Technikfreaks, Datenschutzbeauftragte, Skeptiker, Verschwörungstheoretiker. Jeder hat etwas zur Corona App zu sagen. Ende Mai haben der Software-Konzern SAP und die Deutsche Telekom den Programmcode der Corona-App auf der Plattform GitHub veröffentlicht. wefox-Gründer Julian Teicke hatte die stiftende Idee für diese App.
Wie kam er denn darauf? „Der Grund ist meine Leidenschaft für Technologie. Vor drei, vier Jahren stellte sich heraus, dass der nächste technologische Wandel im Internet darauf hinausläuft, dass das Individuum wieder in den Besitz seiner eigenen Daten kommt.“ Derzeit haben wir tausende von Daten auf hunderten unterschiedlichen Servern auf der ganzen Welt verteilt. Google und Apple wissen mehr über unsere „digitalen Klone“ als wir selber. Julian Teicke fordert: „Die Kontrolle über meinen digitalen Klon muss bei mir liegen. Ich alleine entscheide, mit wem ich welche Informationen teile. Und das wird durch Technologie ermöglicht, deren oberste Designrichtlinie „privacy first“ ist. Genau das haben wir mit der Corona-App geschaffen. Sie basiert zwar auf einer dezentralen Datenbank, aber es sind eigentlich die Privatsphäre-Elemente, die sicherstellen, dass meine Daten vollständig geschützt sind und nur ich allein Zugriff darauf habe.“
Die Kontrolle über meinen digitalen Klon muss bei mir liegen.
Sein Ruf bleibt nicht ungehört. Auf einmal waren die größten Startups Deutschlands mit an Bord. N 26, Get your Guide, Data4Life, Delivery Hero, um nur einige der Unicorns zu nennen. Sie alle gründeten die Initiative „Gesund zusammen“, um die App gemeinsam weiterzuentwickeln. In Sachen User Interface und nutzerfreundliches App-Design sind sie schließlich Profis. Gemeinsam haben alle Unternehmen zusammen immerhin eine Milliarde App Downloads weltweit. Noch Fragen? Außerdem arbeitet die Initiative gleichfalls als Accelerator. Ihr erklärtes Ziel: Junge Leute zu unterstützen, die eine Idee entwickelt haben, wie man Menschen in der Corona-Krise helfen kann. Zum Beispiel: Wie schaffen wir es, Opfer von häuslicher Gewalt zu unterstützen oder den Warenfluss in Krisenzeiten sicherzustellen und zu optimieren?
„Als wir mitbekommen haben, dass die App in China und Korea gut funktioniert, haben wir uns überlegt, wie eine App aussehen müsste, die unserem europäischen Datenschutz entspricht,“ sagt der engagierte Initiator. Dieses Großprojekt ist eine gewaltige Herausforderung für die Gesellschaft: Ohne deren Akzeptanz nutzt die beste App nichts. 48 Millionen Deutsche müssen die Corona-Warn-App dauerhaft nutzen, wenn sie wirken soll.
Vertrauen ist dafür ein entscheidender Erfolgsfaktor. Die Berliner Agentur „Zum goldenen Hirschen“ vom GSG-Hof in der Schlesischen Straße, hat den Auftrag, möglichst viele User zur Installation der App zu bewegen. Nach dem Motto: „Diese App kann nichts, außer Leben retten“ oder „Unsere App-traktion des Jahres“.
Nach dem anfänglichen Hickhack zwischen zwei Glaubensrichtungen – zuerst sollte eine zentrale Lösung zum Zug kommen, bei der alle IDs einer Kontaktliste auf Servern gespeichert werden – haben sich „die Dezentralen“ durchgesetzt. Ist damit die Nutzung jetzt datenschutzkonform? Bei der Installation der sogenannten Decentralized Privacy-Preserving Proximity Tracing- App (DP-3T) werden keinen personenbezogenen Daten abgefragt und registriert. Der dezentrale Ansatz soll zudem sicherstellen, dass die Daten nicht zentral auf einem Server ausgewertet werden, damit keine Kontaktbeziehungen zwischen den Personen ermittelt werden können. Die registrierten Kontakte werden ausschließlich auf den Endgeräten gespeichert.
Und wie funktioniert das Ganze jetzt praktisch?
Mithilfe von Bluetooth registrieren Smartphones, welche Mobilfunkgeräte anderer Personen sich für eine gewisse Zeit in unmittelbarer Nähe befinden. Wenn sich einer der Smartphone-Inhaber mit dem Virus infiziert, werden die Smartphones aller anderen Kontaktpersonen informiert. Dies geschieht streng anonymisiert. Diese Warnung ist gleichzeitig eine Empfehlung, sich in Quarantäne zu begeben und testen zu lassen. Eine zentrale Speicherung findet also nicht statt.
„Die Entscheidung durch die Bundesregierung stimmt mit unserer Haltung überein“, sagt Julian Teicke. „Wir wollen, dass immer mehr Leute verstehen, dass Technologie an sich zwar toll ist, dass man damit aber auch verantwortungsvoll umgehen muss. Noch nie wurde soviel über Datenschutz gesprochen wie jetzt“, sagt Julian Teicke. Corona hat dieses Bewusstsein beschleunigt. Um den Paradigmenwechsel zum „Meine Daten gehören mir“ voranzutreiben, hat Julian Teicke zudem noch die NGO Global Citizen Foundation gegründet. „Wir wollen das Bewusstsein der Menschen für digitale Missbrauchsmöglichkeiten schärfen und gleichwohl die technischen Lösungen dazu schaffen. Neben einer dezentralen Governance braucht es dazu ein vertrauenswürdiges Institut, um eine Demokratisierung der Technologie zu garantieren.“ sagt Julian Teicke.
Diese App kann nichts, außer Leben retten.
Wie reagiert denn sein Umfeld auf die Corona App? War er nicht auch für einige ein Verräter, der denen in die Hände spielt, die Daten missbrauchen wollen? „Ich habe mir schon Gedanken gemacht wie ich auf solche Vorwürfe reagiere. Einmal unterscheide ich zwischen Skeptikern und Verschwörungstheoretikern. Skeptiker bringen ihre Meinung ein und tragen selbst die Verantwortung mit bei, um eine Lösung zu finden. Verschwörer bringen ihre Meinung ein, ohne einzusehen, dass auch sie mit in der Verantwortung stehen. Sie sehen sich als Opfer des Systems und übertragen Verantwortung pauschal auf andere. Ich rate jedem, selber einmal Verantwortung zu übernehmen und sei es in einem Verein. Sobald du nämlich in einer verantwortlichen Position bist, merkst du, dass Leute hinter deinem Rücken Sachen über dich sagen, die nicht der Wahrheit entsprechen. Das ist eine wichtige Erfahrung und Erkenntnis.“
Die Entwicklung der Corona App – übrigens pro bono – ist für Julian Teicke ein Statement, auch die heimische Innovation voranzutreiben. „Wir liegen doch in der weltweiten Digitalentwicklung der letzten 20 Jahre weit zurück. Europa: Zero. Ich bin mir sicher, dass wir in den nächsten 20 Jahren, in denen es um den ethischen Umgang mit Daten geht, die Gewinner sein werden.“
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