Eigentlich wollte er nur für sich selbst ein Party-Portemonnaie machen. Superdünn sollte es sein. „Ich hatte keinen Bock mehr auf so ein dickes Lederportemonnaie,“ sagt Nils Wagner.
Wie es das Leben oft so will – er arbeitete gerade in einer Werbeagentur und hatte etwas in einer Druckerei zu regeln – da stellte ihm ein Mitarbeiter ein reiß- und wasserfestes Material namens Tyvek vor. Eigentlich wird Tyvek in der Industrie oder Landschaftsarchitektur verwendet. Daraus werden Schutzkittel für Chemielabore oder Abdeckplanen für Böschungen hergestellt. Das Faszinierende: Es sieht aus wie Papier, es fühlt sich an wie Papier, es ist aber kein Papier. Das Material besteht zu Teilen aus recycelten Kunststofffasern, ist frei von tierischen Bestandteilen, jedoch genauso robust wie Leder.
Coole Sache, dachte sich Nils Wagner. Seine Gedanken hörten gar nicht mehr auf zu kreisen. A: Er wollte sich endlich ausleben. B. Er wollte sich immer schon selbständig machen. C: Er hat seinen eigenen inneren Fahrplan. D: Er ist stur.
Gegrübelt, getan. Sein Business begann nicht in einer Garage, sondern verkatert auf der Couch bei sich zu Hause. Von der Druckerei bekam er an diesem Tag kistenweise Tyvek-Bögen in der Größe 100×70 Zentimeter geliefert. „Ich wohnte im 6. Stock, der Fahrstuhl ging nur bis in die 5. Etage,“ erinnert er sich. Ein ganz schön harter Tag.
Als Erstes gab er Notizbücher in Auftrag. „Die Premiere ging jedoch komplett in die Hose. Das Material wellte sich, war wohl zu viel Farbe drauf,“ sagt Nils Wagner. Aber es habe trotzdem schon ziemlich gut ausgesehen. So suchte er sich eine neue Druckerei und investierte all sein Angespartes, um einen zweiten Versuch zu starten. „All dein Geld für solch‘ einen Schabernack“, kommentierte sein Vater. Aber Nils Wagner ist ja bekanntlich stur.
Dann wurden die vielen, die sehr vielen Paletten mit Notizbüchern angeliefert. „Mir fällt gerade auf, dass ich in meinem Leben schon ganz schön viel hoch- und runtergeschleppt habe“, lacht er. „Ich habe mit mir selber eine Kette gebildet. Ich musste schnell sein, denn die Paletten standen im Hauseingang rum und es sollte ja nichts geklaut werden.“
2012 verkauft er beim Holy Shit Shopping in der Alten Münze seine ersten Portemonnaies, findet ein, zwei interessierte Läden in Hamburg und Frankfurt, die seine Produkte anbieten und geht auf Messen. Hier akquiriert er seinen ersten Großkunden aus Spanien. „Urkrass“ sagt er. Zum Weihnachtsgeschäft baut er sich seinen eigenen Onlineshop auf, zusammen mit seinem Vater. Dessen Grundhaltung: immer noch skeptisch.
Im März 2014 bezieht er sein erstes Büro in den GSG-Höfen in der Lobeckstraße. „Zwei Tische, ein Praktikant. Wir saßen bei Held Vodka als Untermieter mit drin. Alles bezahlbar,“ bringt er es auf den Punkt. Um eine neue Produktionslinie anzugehen, startet er sein erstes Crowdfunding-Projekt. Eine Art Vorverkauf. „Die Leute geben das Geld, damit wir für sie produzieren können. 21.700 Euro kamen so zusammen“, sagt er. Auch wenn er erst drei Monate später liefern konnte, habe ihm die Aktion viel Aufmerksamkeit und über 800 neue Kunden gebracht. Auch im Ausland, sogar in Japan. 2016 startet er seine zweite Crowdfunding-Kampagne, um aus dem Material eine ultradünne Uhr produzieren zu können. Eine Weltneuheit. „Die haben wir fast ein Jahr lang entwickelt. Das ist ja alles sehr komplex mit der Elektronik und dem LED-Display.“ Diesmal kamen sage und schreibe 106.000 Euro zusammen. Dem Glücklichen schlägt keine Stunde.
All dein Geld für solch‘ einen Schabernack
Ein Jahr später eröffnet er seinen 60 Quadratmeter großen Flagship Store in der Warschauer Straße. Hier werden auch alle Paprcuts-Accessoires produziert. Als hier alles aus den Nähten zu platzen droht, zieht er 2018 mit seinem Office in den GSG Hof Waldemarstraße 37A in Kreuzberg. „Ich bin so froh, dass wir so eine tolle 220 Quadratmeter große Location gefunden haben. Und dann noch in Kreuzberg, wo es ja eigentlich nichts mehr zu mieten gibt. Wir haben echt Dussel gehabt,“ sagt er mit einem Lächeln.
Neben den Portemonnaies, Notizbüchern, Kalendern und Uhren in zwei Versionen gehören u. a. Handy-Hüllen, Kultur- und Tabakbeutel, Bauchtaschen und Reisepasshüllen zum Paprcuts-Portfolio. Alle drei bis vier Monate entwickelt Nils zusammen mit Designerin Marika neue Designs. „Flowers“ ist der eindeutige Bestseller. Aber auch die Varianten „Tucano & Parrot“, „Mixtape“ und bunte Dreiecke sind sehr gefragt.
„Unsere Kundschaft geht quer durch alle Altersklassen“, sagt der Geschäftsführer. „Neulich auf dem Markt hat mir so ein 5-jähriger Dreikäsehoch sein gesammeltes Taschengeld für seine erste Uhr entgegengestreckt“, sagt er. Das habe ihn sehr gerührt. „Und letztes Jahr vor Weihnachten hat sich ein altes Rentnerehepaar auch Uhren bei mir gekauft, in „Flowers“ und „Star Neon“. Die Paprcuts-Uhren sind ein absolutes Hype-Produkt. Leider gebe es deshalb auch viele Neider. „Trotz Abmahnung werden wir 1:1 von einem deutschen Händler kopiert, sogar mit unserem Schriftzug“, sagt Nils Wagner. „Das ist wirklich traurig.“
Aber davon lässt sich ein kreativer Gründer mit dem Erkennungsmerkmal „stur“ nun wirklich nicht aufhalten. Nils Wagner hat noch viel vor. Demnächst kommt ein diebstahlsicheres Portemonnaie auf den Markt. Dann möchte er noch mehr Accessoires für Kinder entwickeln. Und im Juni bringt er noch eine ganz neue Produktmarke heraus: nachhaltige Bikinis aus recycelten Fischernetzen. „Mir wird schnell langweilig. Also muss ich mir was einfallen lassen“, sagt er.
Übrigens: Seine Eltern sind mittlerweile so richtig stolz auf ihn. Na bitte, geht doch.
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