Schäden an großflächigen Infrastrukturen erst gar nicht entstehen lassen und Unternehmen vor finanziellen Einbußen bewahren – das ist die Geschäftsidee von Live EO. Seit Anfang des Jahres sitzt das New Space Start-up im GSG-Hof in der Alexandrinenstraße in Kreuzberg.
Illegale Plastikmüll-Deponien in Malaysia. Die Entstehung des Volvo-Werks im chinesischen Chengdu. Die Entwicklung der Lithium-Anlage in Bolivien. Sich leerende Stellplätze der zurückgekauften VW-Diesel in den USA. Beeindruckende Satellitenbilder, die aktuelle Wirtschaftsphänomene aus der Vogelperspektive zeigen. Die Fotos zu einer neuen Serie, die in der WirtschaftsWoche erscheint, kommen vom Berliner Start-up Live EO.
Der Blick aus dem All. Ehrfurchtgebietend. Aber das New Space Unternehmen liefert mehr als nur beeindruckende Bilder. Seine Geschäftsidee: Live EO – das EO steht für Earth Observation – analysiert Satellitenbilder und erkennt, wo es für Bahnstrecken, Stromleitungen und Pipelines gefährlich werden könnte.
Vor drei Jahren lernten sich die beiden Gründer Sven Przywarra und Daniel Seidel auf einem Raumfahrt-Event in Berlin kennen. „Wir waren eindeutig die jüngsten Teilnehmer und so kamen wir ins Gespräch“,sagt Daniel Seidel. Zu dem Zeitpunkt haben beide noch studiert – Sven Wirtschaftsingenieurwesen an der TU Berlin, Daniel Luft- und Raumfahrttechnik in Aachen. Er stand kurz vor seinem Abschluss. Sein Ziel: nach Berlin ziehen und eine Firma gründen.
Gesagt, getan. Gerade mal eine Woche in Berlin trafen sich die beiden in der urigen Berliner Kneipe „Die dicke Wirtin“ in Charlottenburg und evaluierten Ideen – bis morgens um vier. Auch Charlottenburger Nächte sind ja bekanntlich lang. Die Geschäftsidee des New Space Start-ups reifte zur Morgendämmerung: Schäden an großflächigen Infrastrukturen nicht entstehen zu lassen und Unternehmen vor finanziellen Einbußen zu bewahren.
Und was heißt das? „Mit Hilfe von Satellitenaufnahmen entwickeln wir für unsere Kunden Lösungen, damit sie ihre Infrastrukturnetze überwachen können. Das können Bahntrassen, Hochspannungsleitungen und Pipelines für Öl und Gas sein. Wir haben ein Work Force Management Tool entwickelt, dass anhand von Satellitenbildern, die wir von externen Anbietern beziehen, analysiert und erkennt, wo konkret Gefahren für das jeweilige Netzwerk drohen. Zu nah stehende Bäume an den Gleisen, Erdrutsche in der Nähe von Ölleitungen“, erklärt Sven Przywarra.
Natürlich sind bereits andere Unternehmen in dem Bereich tätig, die lieferten aber nur schöne bunte Karten. „Wir sind die einzigen weltweit, die dem Kunden eine solche Lösung anbieten“, sagt Daniel Seidel. Mit Hilfe einer App erhält der Netzanbieter konkrete Aufgaben, die er direkt an seine Dienstleister durchreichen kann. Im Klartext: Der Förster wird mit Hilfe der App genau zu der Stelle navigiert, an der er die Fichte fällen muss.
Die Deutsche Bahn war der erste Kunde der Berliner. Auch mit Stromnetzanbietern aus Deutschland und den USA arbeiten sie mittlerweile zusammen. „Der verheerende Waldbrand im vergangenen Jahr in Kalifornien hätte vermieden werden können“, sagt Daniel Seidel. Ein Defekt an einer Stromleitung hatte das Feuer ausgelöst. Genau solche Katastrophen wollen die Berliner mit ihrer Software verhindern.
Anfangs sei man in den Chefetagen noch skeptisch gewesen, weil die Gründer so jung seien, aber das habe sich schnell gelegt. „Heute wendet man sich ja auch eher an seinen Enkel, wenn man eine Technologiefrage hat und nicht umgekehrt“, sagt Sven Przywarra mit einem Augenzwinkern.
Wir wollen beim Entdecken neuer Räume dabei sein.
Die ersten Arbeitswochen wurden noch im Café Hardenberg absolviert. Da ist eine Menge Mate-Tee geflossen. 2017 gründeten die beiden Pioniere dann Live EO. Seit 2018 gibt es die GmbH. Im Februar dieses Jahres zog die Firma in den GSG-Hof in der Alexandrinenstraße ein. „Wir haben sehr lange gesucht. Die Lage ist perfekt für uns. Urbanes Flair und direkt hinter uns, Richtung Moritzplatz, liegt der geografische Mittelpunkt Berlins. Zentraler geht es ja wohl kaum“, freut sich Sven Przywarra. Sein großer Wunsch: dass über oder unter ihnen im GSG-Hof noch eine Etage frei wird.
22 Mitarbeiter arbeiten derzeit für Live EO. Sie kommen aus Europa, den USA, China und Indien. Mit der nächsten Finanzierungsrunde wollen die beiden Gründer neue Mitarbeiter einstellen. Sie haben schließlich noch viel vor. Erst dieses Jahr beteiligte sich das Venture Capital Unternehmen „Dieter von Holtzbrinck Ventures“ mit einem siebenstelligen Betrag am Berliner Unternehmen. „Mittelfristig wollen wir jedes Infrastrukturnetzwerk für Schiene, Strom, Gas und Öl monitoren, und zwar weltweit.“
Der Griff nach den Sternen hat für die Gründer wahrlich eine andere Dimension. Es sei schon etwas Erhabenes, den Überblick über den gesamten Planeten zu haben mit all seinen Veränderungen. „Wir haben uns auch den Amazonas von oben angeschaut, das ist schon schockierend“, sagt Sven Przywarra. Trotz aller schlechten Nachrichten sei er jedoch hoffnungsvoll. Die Gründer könnten sich mit ihrem Work Force Management Tool auch andere Anwendungsbereiche vorstellen, z. B. im Artenschutz, in der Land- und Forstwirtschaft, im Versicherungswesen. „Mit Hilfe der Bilder sehen wir jede Veränderung. Ich bin mir sicher, es wird ein Umdenken hinsichtlich des effizienten Einsatzes von Ressourcen geben.“
Derzeit bewirbt sich Live EO für eine Förderung durch die Europäische Raumfahrtbehörde ESA. Ihre Veranstaltungsreihe New Space Vision wird bereits von der ESA unterstützt. Dazu treffen sich an die 100 Gäste in der Alexandrinenstraße, Unternehmer und Forscher, die hier ihre Projekte zum Thema Raumfahrt vorstellen. „Als Teil der New Space Bewegung wollen wir auch beim Entdecken neuer Räume dabei sein. Wir wollen das Vorankommen der Menschheit beeinflussen.“ Hehre Worte. Aber das ist nun mal der Entdeckergeist, dieser innere Antrieb, der uns allen immanent ist. Ohne ihn gäbe es keine Entwicklung.
Und die unendlichen Weiten begeisterten die Gründer schon seit Kindertagen. Dabei haben zwei entscheidende Erlebnisse Sven Przywarra geprägt. „Als ich sechs Jahre alt war, ist mein Vater mit mir ins Kino gegangen: Star Wars, Episode I – Die dunkle Bedrohung. Und dann die Mondlandung: Da war ich zwar noch nicht auf der Welt, aber mein Lehrer hat so davon geschwärmt und mich regelrecht angesteckt.“
Die Leidenschaft der beiden ist für jeden ersichtlich. Daniel trägt ein T-Shirt mit NASA-Schriftzug, auf Svens Shirt malt ein Astronaut einen Smiley auf den Mond. Kein Wunder, im Jahr des großen Mondlandungs-Jubiläums.
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